Wirtschaftsgespräche
BMW Werkleiter Christoph Schröder über die Elektrifizierung, Trump und Made in Dingolfing
Die Automobilbranche steht vor einem Paradigmenwechsel und das BMW-Werk Dingolfing ist mittendrin statt nur dabei. Dies betonte BMW-Werkleiter Christoph Schröder im ausführlichen Interview mit dem „DA“. Zudem sprach er über Corona, die vielen Herausforderungen in der Zukunft und verrät sein Lieblingsauto.
Herr Schröder, mal ehrlich: Wie kommen Sie mit der, sagen wir mal „zurückhaltenden“ Mentalität der Niederbayern zurecht?
Christoph Schröder: Naja, „den“ Dingolfinger oder „den“ Niederbayern gibt es so natürlich nicht. Unser Werk ist deutlich vielfältiger als man gemeinhin denkt. Bei uns arbeiten Menschen verschiedenster Herkunft und auch Mentalität. Aber, es ist schon ein wenig so, wie es mir auch meine Vorgänger gesagt haben: Die Mitarbeiter hier sind anfangs vielleicht etwas reservierter. Sind sie aber von einer Sache überzeugt, gibt es kaum noch ein Halten. Dann arbeiten alle gemeinsam mit großem Einsatz und hohem Know-how an einer Lösung. Und das finde ich gut.
Sie kennen ja die „Dingolfinger Verhältnisse“ im Werk aus Ihren Jahren 2009 bis 2011? Was hat sich seitdem groß verändert?
Christoph Schröder: Zunächst natürlich das Werk selbst. Es hat sich in allen wesentlichen Kennzahlen verbessert und ist deutlich gewachsen – in der Fläche und der Zahl der Modelle. Da haben wir mit den BMW 3er, 4er und 8er Modellen viel Zuwachs erhalten, 2021 kommt der iNEXT hinzu. Dingolfing entwickelt sich zudem immer mehr zum Technologiestandort– gerade im Zukunftsbereich E-Mobilität, wo wir im Werk 02.20 Batterien und E-Motoren bauen und zum konzernweiten Kompetenzzentrum E-Antriebsproduktion geworden sind. Gleich geblieben sind glücklicherweise die Kompetenz und das Engagement der Mitarbeiter. Sonst wären solche Pionierleistungen wie die Integration der E-Mobilität oder des BMW iNEXT nicht möglich.
Corona, Elektrifizierung, Brexit, China, die Erwartungen der Stakeholder und der amerikanische Präsident Donald Trump stellen auch die BMW Group vor enorme Herausforderungen. Sehen Sie schon irgendwo ein Licht am Ende des Tunnels?
Christoph Schröder: Es gab sicher schon einfachere Zeiten – und wir als Automobilindustrie haben es derzeit mit einer doppelten Herausforderung zu tun. Denn zur Corona-Krise gesellt sich die grundlegende technologische Transformation unserer Branche in Richtung Elektrifizierung und Digitalisierung. Aber wir tun unser Bestes und sind sehr zuversichtlich, dass wir das meistern. Bei der Transformation sind wir – denke ich – sehr erfolgreich unterwegs und haben gerade in Dingolfing früh auf E-Mobilität gesetzt. Knapp 10 % unseres Produktionsvolumens sind schon elektrifiziert – Tendenz klar steigend in den nächsten Jahren. Was Corona und die aktuelle Absatzlage betrifft, so blicken wir hier vorsichtig zuversichtlich auf die nächsten Monate. Auch wenn man ehrlicherweise sagen muss, dass die weitere Entwicklung kaum seriös zu prognostizieren ist. Es mag abgedroschen klingen: Aber Flexibilität und Kostenorientierung sind mehr denn je das Gebot der Stunde.
Die aktuelle Situation ist für viele Firmen ein Ritt auf der Rasierklinge. Firmen wie die Lufthansa sind teilweise verstaatlicht. Wie geht es BMW?
Christoph Schröder: Die Zeiten sind wie erwähnt nicht einfach. Aber wir tun, was wir können, um die Krise erfolgreich zu meistern. Meines Erachtens sind wir hier nicht so schlecht unterwegs. Wir haben konsequent und schnell gehandelt. Wir haben die Produktion flexibel an die Nachfrage angepasst, wir haben weiter an unserer Effizienz gearbeitet, Investitionen auf den Prüfstand gestellt, ohne an der Zukunft zu sparen – und auch bei der Personalstruktur haben wir einvernehmliche Vereinbarungen mit dem Betriebsrat getroffen, die uns helfen, die Kosten zu senken. Vor allem aber haben wir frühzeitig mit der Transformation begonnen, haben das richtige Modellangebot zur rechten Zeit und das richtige Team, das gerade in schwierigen Zeiten den Unterschied macht. Das gibt uns Kraft und Zuversicht.
Gibt es Pläne die Stamm-Mitarbeiterzahl in Dingolfing zu reduzieren? Im Bereich der Zeitarbeitskräfte ist das ja bereits erfolgt. Gibt es da nicht eine gewisse Unruhe in der Belegschaft?
Christoph Schröder: Nein, eine größere Unruhe nehme ich nicht wahr. Wir haben zum Thema Personal auch sehr klar kommuniziert. Aufgrund der niedrigeren Tagesstückzahl, die wiederum an der derzeit schwächeren Marktnachfrage liegt, haben wir aktuell einen geringeren Bedarf an Zeitarbeitskräften. Das ist im Einzelfall bedauerlich und wir hoffen natürlich, dass sich das auch wieder umkehrt. Aber es ist nun mal ein Wesenskern der Zeitarbeit, dass sie zeitlich begrenzt ist. Was die Stammbelegschaft betrifft, rechnen wir hier in Summe mittelfristig mit keinen großen Veränderungen oder Reduzierungen. Denn wir haben hier in Dingolfing zwei gegenläufige Trends: Einerseits haben wir natürlich wie im ganzen Konzern die Notwendigkeit effizienter zu werden. Wir sind deshalb auch restriktiv bei der Nachbesetzung von Stellen oder machen vor allem ruhestandsnahen Jahrgängen entsprechende Angebote für einen früheren Austritt. Andererseits bauen wir in der E-Mobilität hier am Standort Stellen auf und sehen langfristig mit dem Anlauf neuer Modelle wie dem iNEXT und mit der Rückkehr auf einen Wachstumspfad einen entsprechenden Personalbedarf.

Unsere Maxime heißt hier: „The Power of Choice.”
Kann die Divergenz der Nachfrage nach immer höherer Leistung bei den Exklusiv- und Sportfahrzeugen und einem minimierten CO2 oder CO2-freien Fahrzeugkonzept gegenüber den Mitarbeitern und auch gegenüber den Kunden noch vermittelt werden?
Christoph Schröder: Ja, ich denke schon. Unsere Maxime heißt hier: „The Power of Choice”. Wir sehen, dass es weltweit sehr unterschiedliche automobile Kundenbedürfnisse gibt. Vom M8 bis zum i3. Und wir wollen unseren Kunden die Wahl geben: Sie sollen entscheiden können, welchen Antrieb und welches Fahrzeugkonzept sie wollen. Unser Versprechen dabei ist: Wir liefern jeweils den effizientesten und besten Antrieb dafür und die markentypische Freude am Fahren gleich dazu – egal ob als effizienter Verbrenner, als Plug-in-Hybrid oder vollelektrisches Fahrzeug. Auf diese Weise werden wir allein in diesem Jahr den durchschnittlichen Flottenverbrauch unserer Fahrzeuge um rund 20 % reduzieren und die anspruchsvollen CO2-Ziele erreichen.
Werden momentan eigentlich Werksführungen angeboten?
Christoph Schröder: Da muss ich noch um etwas Geduld bitten. Wir sanieren aktuell unseren Besucherpavillon und machen ihn zur zentralen Anlaufstelle für externe Gäste. Direkt daneben entsteht derzeit unser „Schaufenster Zukunft“ – ein multifunktionaler Ausstellungsraum, in dem wir künftig die jeweils aktuellsten Fahrzeuge und Technologien „made in Dingolfing“ zeigen wollen. Aufgrund dieser Baustellensituation sind wir aktuell nicht in der Lage, Besuchergruppen so zu empfangen, wie es unser Hygiene- und Infektionsschutzkonzept vorsieht. Ab Januar 2021 soll es dann wieder losgehen – in eingeschränktem Umfang, mit kleineren Gruppen und den gebotenen Corona-Schutzmaßnahmen.
Viele Einwohner des Landkreises Dingolfing-Landau sind von der zunehmenden Ansiedelung von Gewerbehallen entlang der A92 nicht begeistert. Muss sich BMW als Abnehmer der Dienstleitungen und der Logistik Kritik anhören und wie wird die zukünftige Entwicklung sein?
Christoph Schröder: Wir sind uns dieses Themas sehr bewusst – auch wenn nicht jede Gewerbehalle immer gleich mit BMW in Zusammenhang steht. Autobahnen als zentrale Verkehrsachsen bieten sich nun einmal für die Ansiedlung solcher Logistikumfänge an. Für uns als Unternehmen geht es immer darum, ökonomische Interessen und Notwendigkeiten mit der Umwelt bestmöglich in Einklang zu bringen. Darum engagieren wir uns langfristig, dauerhaft und auch in Verantwortung für die Natur. So schaffen wir zum Beispiel für jede versiegelte Fläche auch ökologisch hochwertige Ausgleichsflächen.
Nun zur letzten Frage: Welches Auto fahren Sie privat und welches Modell würden Sie als das schönste BMW Auto aller Zeiten bezeichnen?
Christoph Schröder: Ich fahre derzeit einen neuen BMW 8er aus Dingolfinger Produktion – der ist auf alle Fälle designpreisverdächtig und mit Sicherheit eines der schönsten BMW-Fahrzeuge, die je gebaut wurden. Aber ich bin in dieser Frage womöglich nicht ganz objektiv (lacht).
Text: Andy Forster
Foto: Christine Daxl