Stadtgespräche
Für den 29-jährigen Dingolfinger Eishockeystar Marcel Brandt verlief die Saison im Vorjahr wie im Traum. Nach überragenden Leistungen wurde er nicht nur zum Verteidiger des Jahres in der Deutschen Eishockey Liga gewählt, sondern von Nationaltrainer Toni Söderholm folgerichtig für die Weltmeisterschaft in Lettland nominiert. Gemeinsam mit dem Dingolfinger Stadtmagazin blickt er auf die vergangene Saison zurück, die bereits gestartete Saison im Trikot der „Straubing Tigers“ und träumt natürlich von Olympia in Peking.
„Olympia? Das wäre mein Traum“
Marcel, mal ehrlich, wie sehr freuen Sie sich über die Rückkehr der Fans in die Stadien?
Marcel Brandt: Ich hoffe natürlich, dass die Fans über die gesamte Saison hinweg in die Stadien dürfen. Man hat nämlich vor allem bei unseren Testspielen und auch in den ersten Saisonspielen deutlich gesehen, wie wichtig die Stimmung der Fans in der Eishalle letzten Endes ist. Vor allem die Fans aus Straubing sind einzigartig und geben neben dem Eis richtig Gas. Das motiviert dich als Spieler ungemein. Deshalb will ich, dass so viele Fans wie möglich in die Hallen dürfen. Das ist eminent wichtig für unseren Sport und insbesondere auch für die Vereine, weil die Zuschauereinnahmen äußerst wichtig sind.
Ihr musstet in der vergangenen Saison ohne Zuschauer die Spiele bestreiten. Im Eishockey sind die Fans – wie Sie bereits betonten – eminent wichtig für die Teams. Wie waren die Begegnungen in einer Geisterhalle?
Marcel Brandt: Am Anfang war es schon sehr komisch, muss ich zugeben. Man hört jeden Mucks auf dem Eis und es ist schon irgendwie befremdlich. Ich persönlich war sehr traurig, obwohl man sich als Profisportler irgendwann mal mit der Situation arrangieren musste. Trotzdem ist Eishockey ohne Fans eine Katastrophe. Ohne Fans geht nix.
Vor allem in Straubing sind die Fans der siebte Mann auf dem Eis. Wird der Pulverturm in dieser Saison besonders schwer einzunehmen sein für die Gegner?
Marcel Brandt: Das denke ich schon (lacht). Die Fans, und ich spreche mit einigen täglich, waren wirklich heiß auf die Saison in der Deutschen Eishockey Liga. Da dürfen sich die Gegner auf alle Fälle schon mal warm anziehen, denn unsere Fans werden auf jeden Fall richtig laut sein und uns zu Höchstleistungen pushen. Vor allem nach dem etwas verpatzten Start wollen wir unseren treuen Fans gutes und vor allem erfolgreiches Eishockey bieten.
In der Vorbereitung lief es sehr gut. Die Mannschaft scheint auf Anhieb zusammengefunden zu haben. Welche Rolle spielt für einen kleinen Verein wie Straubing ein perfektes Scouting?
Marcel Brandt: Extrem wichtig. Der Grundstock an Spielern ist bei vielen Mannschaften Jahr für Jahr der gleiche. Vor dieser Saison war der Umbruch in unserer Mannschaft ein wenig größer und da hat die sportliche Leitung auf jeden Fall eine hervorragende Arbeit geleistet in puncto Kaderzusammenstellung. Die Mannschaft passt nicht nur auf dem Eis gut zusammen, sondern auch in der Kabine ist eine sehr gute Stimmung. Man hat es auch in der Vorbereitung gesehen, dass wir schnell zu einer Einheit zusammengewachsen sind. Das macht Hoffnung auf eine wirklich erfolgreiche Saison.
Im Eishockey kommt es nicht immer darauf an, die besten Spieler im Team zu haben. Auch der Charakter ist wichtig…
Marcel Brandt: Absolut. Im Eishockey kommt es nicht immer auf das Talent an. Natürlich ist Talent, ab einem gewissen Niveau, wichtig. Trotzdem ist mir ein Spieler mit Ehrgeiz und Charakter sowie Willen mindestens genauso wichtig. Im Eishockey gilt es nicht nur Tore zu erzielen. So viele Kleinigkeiten entscheiden über Sieg oder Niederlage. Zum Beispiel ist ein Spieler, der Schüsse blockt, auch ein sehr wichtiges Puzzlestück zum Erfolg.
„Im Eishockey gilt es nicht nur Tore zu erzielen. So viele Kleinigkeiten entscheiden über Sieg oder Niederlage.“
Was könnte in dieser Saison mit den „Tigers“ möglich sein? Ein Underdog seid ihr schon lange nicht mehr?
Marcel Brandt: Das haben Sie auf jeden Fall richtig erkannt. Mit dieser Mannschaft ist in dieser Saison, falls wir von Verletzungen größtenteils verschont bleiben, auf jeden Fall einiges drin. Wir wollen einen Platz unter den Top sechs in der Vorrunde. In den Play-Offs ist immer alles möglich, aber dazu braucht man auch das nötige Glück. Im vergangenen Jahr hat man im Viertelfinale gegen Mannheim gesehen, dass vor allem der Faktor Glück im Eishockey eine große Rolle spielt.
Nun zu Ihnen persönlich. Spüren Sie Druck, nachdem Sie in der vergangenen Saison zum besten Verteidiger in der DEL gewählt wurden?
Marcel Brandt: Ich hoffe, dass mich diese Auszeichnung aus der vergangenen Saison eher beflügeln wird. Druck spüre ich von außen nicht, den mache ich mir – wenn dann – schon selbst. Ich will in meiner Entwicklung nicht stehenbleiben und auch in dieser Saison noch einmal einen Schritt nach vorne machen. Deswegen habe ich im Sommer hart gearbeitet.
Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung auch nach fünf Monaten noch?
Marcel Brandt: Zunächst war ich – ehrlich gesagt – sehr überrascht. Es gab einige Verteidiger, die in der vergangenen Saison überragend gespielt haben. Und wenn Sie so fragen: Natürlich freue ich mich immer noch über die Auszeichnung. Sie hängt bei uns in der Wohnung, weil sie mich auch daran erinnern soll, was ich erreicht habe. Zudem dient sie als Motivation, dass ich vielleicht noch die eine oder andere Schippe drauflege.
Insbesondere Marco Sturm, der ehemalige Nationaltrainer, hat sich sehr für Sie gefreut. Er lobte vor allem Ihre Einstellung als Profi. Muss man ab einem gewissen Niveau einfach mehr machen, als die anderen Spieler?
Marcel Brandt: Ich war nie der talentierteste Spieler und musste meine ganze Karriere über schon mehr machen, um voranzukommen. Mit harter Arbeit, viel Ehrgeiz und Willen habe ich es bis hierhin geschafft. Und natürlich muss man ab einem gewissen Niveau einfach mehr machen. Vor allem außerhalb der Eisfläche vielleicht die eine oder andere Trainingseinheit einlegen. Wie heißt es so schön: Von nix, kommt nix.
Nach den guten Leistungen wurden Sie folgerichtig für die Weltmeisterschaft in Lettland nominiert. Waren Sie nervös?
Marcel Brandt: Es war Wahnsinn, wie nervös ich beim ersten WM-Spiel gegen Italien war (lacht). Ich wollte unter allen Umständen keinen Fehler machen. Deswegen war ich – ehrlich gesagt – ein wenig gehemmt. In den nächsten Begegnungen wurde es schon besser.

ZUR PERSON:
Marcel Brandt (29 Jahre alt) Der gebürtige Dingolfinger war nicht von Anfang an ein Superstar im deutschen Eishockey. Erst der Wechsel von der Stürmer- auf die Verteidigerposition sorgte für den endgültigen Durchbruch. In der vergangenen Saison wurde sein Ehrgeiz mit dem Titel „Verteidiger des Jahres“ in der DEL belohnt. Bis dato kommt Brandt in der DEL auf knapp über 400 Einsätze für die „Straubing Tigers“ und „Düsseldorfer EG“ (45 Treffer und 98 Assists). Für die Nationalmannschaft bestritt er bis dato 26 Länderspiele. Berüchtigt sind vor allem seine harten Schlagschüsse, die im Überzahlspiel für viele Treffer sorgen.
International ist das Tempo und das Niveau ungemein höher. Was müssen Sie persönlich noch besser machen, um eine noch größere Rolle in der Nationalmannschaft zu spielen?
Marcel Brandt: Man muss auf diesem Niveau vor allem die einfachen Sachen richtig machen. Den wichtigen Aufbaupass oder die Scheibe in brenzligen Situationen aus dem Drittel befördern. Zudem sollte man nicht vergessen, dass man auf diesem Niveau auch ein gewisses Scheibenglück braucht.
Im kommenden Jahr steht mit der Olympiade in Peking ein großes Highlight auf dem Programm. Was würde Ihnen eine Teilnahme bedeuten?
Marcel Brandt: Das ist mein Traum. Ich werde alles daran setzen, dass ich bei der Olympiade dabei sein darf. Somit hätte ich – innerhalb eines Jahres – zwei große Ziele erreicht mit der Teilnahme an einer Weltmeisterschaft und an den Olympischen Spielen.
So wie es aussieht werden alle NHL-Stars dabei sein. Auf welche Spieler würden Sie sich am meisten freuen?
Marcel Brandt: Da werden ein paar Hochkaräter dabei sein (lacht). Natürlich würde ich mich auf die Teamkameraden wie Leon Draisaitl oder Philipp Grubauer freuen. Zudem wäre es ein Wahnsinn gegen Spieler wie Nathan McKinnon, Connor McDavid und Co. zu spielen.
Während der Corona-Pause absolvierten Sie drei Spiele für den EV Dingolfing in der Landesliga. Wie war es in der Marco-Sturm-Eishalle zu spielen?
Marcel Brandt: Es hat viel Spaß gemacht für den EV Dingolfing zu spielen. Bei meinem Heimatverein, bei dem ich das Schlittschuhlaufen erlernt habe. Vor allem hat mich das Niveau in der Landesliga überrascht und auch die Stimmung in der Kabine war herausragend.
Letzte Frage: Können Sie sich nach Ihrer Profikarriere ein Comeback im EVD-Dress vorstellen?
Marcel Brandt: Das habe ich bereits vor mehr als einem Jahr gesagt, dass ich mir das auf jeden Fall vorstellen kann. Es wäre mit Sicherheit ein Schmankerl, wenn ich meine Karriere dort beenden könnte, wo sie im Endeffekt begonnen hat.
Text: Andy Forster
Fotos: Christine Daxl