I n t e r v i e w
Er war der oberste Feuerwehrmann in Bayern: Der 60-jährige Alfons Weinzierl blickt auf eine lange Geschichte in der Feuerwehr zurück. Als Jugendlicher trat er 1974 in die Wehr Höfen ein und stieg kontinuierlich im Dienst auf, vom Kreisbrandmeister über Kreisbrandinspektor zum Kreisbrandrat und Vorsitzenden des Bezirksfeuerwehrverbandes Niederbayern. 2003 wurde Alfons Weinzierl schließlich Vorsitzender des Landesfeuerwehrverbandes Bayern und Mitglied im Präsidialrat des DFV. Im Herbst schied er aus dem Amt aus. Ein Grund für ein ausführliches Gespräch mit dem Dingolfinger Stadtmagazin.
„“Frueher hatte man mehr Respekt vor Einsatzkraeften“
Herr Weinzierl, wie fühlt sich das freie Leben als Pensionär einige Wochen nach dem Ende Ihrer Tätigkeit beim Landesfeuerwehrverband an?
Alfons Weinzierl: Pensionär bin ich ja noch nicht, denn ich bin in der Freizeitphase der Altersteilzeit. Ich bin rundum zufrieden, denn der Druck und Stress fällt natürlich mit dem Ende meiner Laufbahn weg. Und ich muss Ihnen sagen, dass es mir zuhause sicherlich nicht langweilig wird. Ich habe viele Hobbys, zum Beispiel Radfahren, mehr für die Gesundheit tun, nach Südtirol in den Urlaub fahren, „meine“ Höfener Feuerwehr, einen großen Garten, meine Familie und zwei Enkelkinder – da wird sicherlich keine Langeweile aufkommen.
Welche Erfahrungen haben Sie an der Spitze eines so großen Verbandes gemacht?
Alfons Weinzierl: Es war mir wichtig, im Verbandsausschuss des LFV Bayern eine Geschlossenheit, Kontinuität und Stärke zu erreichen. Wichtig war mir auch, die Belange des Feuerwehrwesens auf ganz Bayern bezogen zu betrachten und nicht Einzelinteressen in den Vordergrund zu stellen. Aus diesem Grund habe ich vielleicht auch nicht immer jedem Anliegen Rechnung getragen, aber als große gemeinsame Erfolge verbuche ich unter anderem die Novellierung und Modernisierung des Bayerischen Feuerwehrgesetzes, die Unterstützungsleistungen für Unfälle bei Vorschädigungen sowie das Konzept für die länderübergreifende Katastrophenhilfe und die Hilfeleistungskontingente, welche in den nächsten Jahren noch weiter ausgebaut werden.
Hand aufs Herz: Was waren die großen Meilensteine Ihrer Zeit als Vorsitzender des Landesfeuerwehrverbandes?
Alfons Weinzierl: In insgesamt 93 Ausschusssitzungen des LFV Bayern haben wir viel bewegt. Ein wichtiger Meilenstein ist der Digitalfunk gewesen. Hier möchte ich die Umsetzung der Landeslizenz für die Funkgeräte und zukünftigen Pager der npol BOS durch den Staat nennen, das ist einmalig in Bayern. Außerdem die Schaffung von insgesamt 21 zusätzlichen Stellen für die Verfahrensunterstützung VU Digitalfunk und Verfahrenskoordinierung VK ILS.

Wie haben sich die Kampagnen der vergangenen Jahre ausgewirkt und auf welche Projekte sind Sie besonders stolz?
Alfons Weinzierl: Die Zahl der Aktiven ist mit insgesamt über 324.000 stabil, davon rund 315.000 Ehrenamtliche, während die Zahl der Jugendlichen angestiegen ist auf derzeit über 47.000. Ebenso steigt der weibliche Anteil mit 30.000 Frauen stetig. Und unsere Zukunft – der Nachwuchs in den Feuerwehren – verbessert sich laufend. Allein im vergangenen Jahr sind rund 2.000 Kinder neu aufgenommen worden und deren Mitgliederzahl ist somit auf derzeit über 10.500 Kinder in Kinderfeuerwehren gestiegen.
Mal ehrlich: Worauf blicken Sie besonders gerne zurück?
Alfons Weinzierl: In guter Erinnerung bleiben mir das gemeinsam Erreichte, die vielen positiven Begegnungen sowie die Freude des Ehrenamts Feuerwehr. Es war mir eine große Ehre, dass ich 16 Jahre lang Vorsitzender des LFV Bayern sein durfte. Ich habe alle Ecken und Sprachkreise unseres schönen Bayern in dieser Zeit getroffen und habe eine Vielzahl interessanter Menschen kennen und schätzen gelernt. Dabei habe ich nie die Bodenhaftung verloren.
Und auf welche Ereignisse in den letzten 16 Jahren blicken Sie eher ungern zurück?
Alfons Weinzierl: Die leider schlimmen Unfälle, die unsere Ehrenamtlichen im Feuerwehrdienst erleiden mussten bis hin zu tragischen Todesfällen im Feuerwehrdienst – das sind Ereignisse, die sehr bedauerlich sind. Was mich außerdem umtreibt, sind mangelnder Respekt und Gewalt gegen Rettungskräfte. Denn wir sperren Straßen nicht aus „Jux und Tollerei“, sondern um nach Unfällen zu helfen.
Sie sprechen auch ein wenig die Verrohung der Gesellschaft an. Ist dies ein Phänomen der Zeit?
Alfons Weinzierl: Da haben Sie recht. Früher hatte man Respekt vor den Einsatzkräften und vor allem mehr Zeit. Da war es dann auch nicht so schlimm, wenn man mal im Stau stand. Heute spüre ich bei den Leuten einfach mehr Zeitdruck. Der Stress im Beruf nimmt zu, aber das ist keine Ausrede für Gafferei oder einzelne Attacken auf Einsatzkräfte. Generell sollte dies viel höher bestraft werden.
Erhofft man sich da noch mehr Unterstützung aus der Politik?
Alfons Weinzierl: Die Politik ist bei diesem Thema auf jeden Fall gefordert und hat in der Vergangenheit auch Hilfe zugesagt. Nun müssen auch Taten folgen, denn es muss einfach in diesem Bereich etwas passieren. Und ich rede nicht von Geldstrafen. Viel schlimmer wäre für die Täter, wenn sie zum Beispiel nach so einem Vergehen den Führerschein abgeben müssen. Das würde richtig weh tun und vielleicht dazu führen, dass den Einsatzkräften – egal ob Feuerwehr, Rettungsdienst oder Polizei – wieder mehr Respekt entgegengebracht wird.

Das Elektroauto wird von der Politik enorm gepusht. Ich habe gelesen, dass es bei Bränden von E-Autos doch das eine oder andere Problem bei der Bergung der Fahrzeuge geben kann. Ist dies wahr?
Alfons Weinzierl: Es wird mit Sicherheit ein Leitfaden erarbeitet werden müssen, wie sich die Einsatzkräfte bei bestimmten Unfällen verhalten müssen. Dies gilt nicht nur für Elektro- sondern auch für Wasserstoff-
autos. Es gibt dafür Schulungen und dann wird das kein allzu großes Problem werden.
Elektroautos könnten aufgrund der niedrigen Reichweite öfter im Winter stehenbleiben. Zum Beispiel, wenn man mit einem E-Auto im Stau steht. Kann da die Feuerwehr helfen?
Alfons Weinzierl: Das kann durchaus sein, aber die Feuerwehr ist für solche Fälle nicht zuständig. Da muss der Fahrzeughalter selber schauen, dass er in solche Situationen eben nicht kommt.
Passend zur vorherigen Frage: Sind die Anforderungen an die Feuerwehrleute teilweise zu hoch? Fort- und Ausbildungen stehen an der Tagesordnung, und dies auf freiwilliger Basis. Wie lange machen die Kameraden noch mit?
Alfons Weinzierl: Ja, das ist eine berechtigte Frage. Man muss dazu unterscheiden zwischen Pflichtaufgaben einer Wehr und freiwilligen Leistungen. Ich muss zugeben, dass gerade die freiwilligen Leistungen Überhand nehmen. Gott sei Dank können manche Leistungen mittlerweile mit der Kommune verrechnet werden. Wichtiger wäre zur Entlastung der Kameraden, dass die Bevölkerung teilweise auch selbst Hand anlegt, wenn zum Beispiel ein Ast auf der Straße liegt. Wenn es ein Baum ist, dann ist es eine Gefahr und somit eine Aufgabe für die Feuerwehr. Ich habe das Gefühl, dass vor allem im ländlichen Raum die Bevölkerung sehr wohl weiß, wann man eine Feuerwehr braucht und wann nicht. Denn es kann nicht sein, und ich spreche aus eigenen Erfahrungen, dass in einer Großstadt die Feuerwehr wegen eines Wasserschadens im Keller gerufen wird und der Besitzer dann gemütlich Fernseh schaut und die Feuerwehr machen lässt.
Muss das Ehrenamt der Feuerwehr anders bewertet werden? Ich finde nämlich sehr wohl, dass es einen Unterschied macht, ob man um 2 Uhr ein Menschenleben retten muss oder mit 15 Kindern zu einem Fußballturnier fährt?
Alfons Weinzierl: Das ist ein großes Thema. Ich habe in meiner Zeit als Vorsitzender des Landesfeuerwehrverbandes oft an die Politik appelliert, dass man da etwas ändern könnte. Natürlich macht es einen Unterschied, wenn ich um 2 Uhr aus dem Bett geklingelt werde und nicht weiß, was mich da auf der Autobahn zum Beispiel erwartet. Ich muss dazu betonen, dass es uns bei der Feuerwehr nie um Geld ging, sondern um Anerkennung. Zum Beispiel mit dem öffentlichen Nahverkehr umsonst fahren oder eine 20er-Karte fürs Caprima zu bekommen. Da würden sich die freiwilligen Feuerwehrkameraden freuen. Ich will den Fußballtrainer, den Sie als Beispiel aufführen, nicht klein machen. Auch er hat eine sehr wichtige Funktion in der Gesellschaft, aber für „Blaulicht“-Einsatzkräfte sollte die Politik sich etwas einfallen lassen.
Vor allem, weil dieses Ehrenamt irgendwann keiner mehr machen will …
Alfons Weinzierl: So drastisch würde ich das jetzt nicht formulieren, aber wir werden in naher Zukunft Probleme bekommen. Erst letztes Jahr habe ich mir ausrechnen lassen, was eine Berufsfeuerwehr den Landkreis Dingolfing-Landau kosten würde. Wir reden da von mehr als 40 Millionen Euro pro Jahr. Alleine aufgrund dieser Zahl sollten die Bürger merken, was da für ein hoher Aufwand dahintersteckt.
Als Ehrenmitglied bleiben Sie dem LFV Bayern weiterhin verbunden. Werden Sie sich auch zukünftig weiter mit den Anliegen der Feuerwehren beschäftigen?
Alfons Weinzierl: Ich muss mich erst noch an den neuen Titel „Ehrenvorsitzender des LFV Bayern“ gewöhnen. Und ja, ich werde bei meiner Heimatfeuerwehr Höfen der Stadt Dingolfing weiterhin ehrenamtlichen Feuerwehrdienst leisten, um verunglückten oder zu Schaden gekommenen Bürgern zu helfen. Beim Landesfeuerwehrverband ist meine Zeit zu Ende, aber ich stehe natürlich, wie schon gesagt, immer mit Rat und Tat zur Seite, wenn ich gebraucht werde.
Was wünschen Sie sich zum Abschluss des Interviews von den Kommunen und auch der Landes- und Bundespolitik?
Alfons Weinzierl: Der Staat sollte nach über 25 Jahren unser Anliegen mittragen, dass wir mehr als ein Verein sind, dass wir ausschließlich Feuerwehrthemen behandeln, beraten und voranbringen wollen. Unsere Verbandsarbeit muss zukünftig auch seitens des Freistaats Bayern – so wie von der KUVB – als „Feuerwehrdienst“ anerkannt werden.

Beschreibe Dingolfing in drei Worten
Heimat,
Familie & Freunde,
Natur
Text: Andy Forster
Porträtfoto: Christine Daxl
weitere Fotos: privat