L i e b l i n g s p l a t t e n
Michael Seidl
Als Nachteule hat man wenig Chancen, einen guten Morgen zu durchleben. Täglich mit dem falschen Fuß aufzustehen, macht sogar den Arbeitsbeginn um 9 Uhr zur Frühschicht und die ersten Stunden zur Belastungsprobe für jeden Mitmenschen. Abhilfe schafft dabei belebende Musik auf dem Arbeitsweg. Die Musik nimmt Redakteur Michael Seidl dabei nicht als Teil des Alltags wahr, sondern als Gelegenheit diesem zu entgehen und sich seinen Gedanken und Wünschen zu widmen. Entscheidend für gute Musik ist dabei nicht das Genre, sondern der Interpretationsspielraum, den Klänge und Stimmen dem Menschen zur Reflexion bieten.
Paul van Dyk – Reflections
Passend hierzu ist das 2003 erschienene Album des deutschen Ausnahme-Producers Paul van Dyk. Die elektronische Stilrichtung des Trance lässt dem Hörer dabei den Spielraum für seine eigene Auffassung. Als eines der wenigen elektronischen Alben des neuen Jahrtausends lässt sich Reflections dabei sowohl als 1 ¼-stündiges Gesamtkunstwerk als auch in seinen einzelnen Abschnitten gesondert betrachten und beinhaltet interpretativ sowohl Elemente klassischer Musik als auch die Seele modernen Technos.
Nox Vahn – Come Together
An besonders schlechten Tagen und jenen mit überbordenden psychischen Belastungen ist die Meditation das wohl bewährteste Mittel, sich diesem Stress zu entledigen. Verbindet sich diese Reise in das innere Eigene mit moderner technologischer und doch ungezwungener Musik, entsteht eine in gewissem Maße achtminütige Meditationsanleitung auf Steroiden, die dazu einlädt, sich auf einen Zustand der Entspannung und des Glücks gleichermaßen einzulassen.
Astrix, Vertical Mode – Seven Gates
Hat man diese Reise in das innere Eigene vollzogen, besteht oft der Drang, die neu gewonnene Gelassenheit in Bewegung nach außen zu tragen. Eine besonders aufdringliche und zugegeben heftige Art, diesem musikalisch nachzugehen, ist der sogenannte Psychodelic Trance. Diesem hängt zwar gesamtgesellschaftlich leider oft auch zurecht der Ruf an, zumeist mit illegalen Substanzen konsumiert zu werden, jedoch lassen sich besonders die Sinnesreisen des israelischen Producers Astrix in nachbarschaftsschädigender Lautstärke ebenso nüchtern durchleben.
Rammstein – Rosenrot
Stilbruch. Etwas mütterliche Prägung darf in dieser musikalischen Autobiographie natürlich nicht fehlen. Wird man in seiner Kindheit mit harten Tönen beschallt, kann man sich gegen die Sympathien für dieses Genre kaum wehren. Ein Meisterwerk ist dabei das Album Rosenrot von 2005: Neben dem gleichnamigen Titel, sind es „Spring“ und „Benzin“, die nicht besonders subtil, aber zielführend zur Gesellschaftskritik einladen.

Text: Michael Seidl
Foto: Christine Daxl