W I R T S C H A F T S G E S P R Ä C H E
In der Rubrik „Wirtschaftsgespräche“ unterhalten wir uns mit dem Unternehmer Marcel Reicheneder. Nach seiner Zeit als Diskothekenbesitzer hat der Dingolfinger unter anderem ein Musiclabel ins Leben gerufen. Im Gespräch blickt er auf die „wilden“ Zeiten zurück und erklärt, was ihn noch einmal reizen würde.
„Eine buntere Nachtszene wuerde Dingolfing nicht schaden.“
Marcel, vor einigen Jahren haben Sie sich von Ihren Diskotheken getrennt. Was waren letztendlich die Gründe dafür, diesen Schritt zu wagen?
Marcel Reicheneder: Es war wohlüberlegt, dass ich mich von den fünf Betrieben getrennt habe. Ich habe alles einmal Revue passieren lassen und gemerkt, dass ich jede Party, die es gegeben hat, gefeiert habe. Ich habe alles erreicht, was ich wollte. Zum Beispiel sechsmal den German Disco Award gewonnen. Ich wollte mehr Freizeit haben, denn es steckt auch viel Arbeit dahinter. Eine 80-Stunden-Woche war normal. Kurzum: Ich wollte einfach mehr vom Leben haben und diese Freizeit genieße ich in vollen Zügen.
Insbesondere in Dingolfing scheinen die Nachtschwärmer das Interesse an der heimischen Diskothek verloren zu haben…
Marcel Reicheneder: Ronny Conrad (Anm. der neue Betreiber) hatte einen sehr schweren Start, aber aktuell stellt man fest, dass er einen guten Zulauf hat, wenn er die richtigen Partys macht. Ich denke mir, dass das Pulz eine Zukunft hat, wenn er weiterhin eine gute Nase hat und gewisse Trends schnell erkennt.
Was hat sich im Vergleich zu den 90er Jahren geändert, als Diskotheken weitaus besser liefen?
Marcel Reicheneder: Zunächst sind es die geburtenschwachen Jahrgänge, die den Betreibern sicherlich wehtun. Das kann man auch nicht wegdiskutieren. Auf der anderen Seite hat sich mit dem Internet viel verändert. Die sozialen Netzwerke ersetzen im Großen und Ganzen das Weggehen. Man muss heute nicht mehr in die Disko, um einen Partner kennenzulernen. Dafür gibt es Badoo oder Tinder. Genauso verhält es sich auch mit Freundschaften. Mit Facebook, Instagram etc. bist du schnell mit deinem Freundeskreis verbunden. Früher hatten wir hier viermal offen, weil die Leute wussten, dass sie hier ihre Freunde treffen und einen Ratsch halten können. Letztendlich war die Diskothek früher das Facebook und das Tinder von heute. Und wir haben uns von der Musik abheben können. Ich bin zum Beispiel oft nach Italien oder England, um dann am Wochenende die neuesten Songs in der Diskothek zu spielen. Heute hast du dafür Spotify.
Ist Dingolfing generell ein schweres Pflaster? Spielt zum Beispiel auch eine Rolle, dass mit dem Strich8 eine ganze Subkultur verschwunden ist?
Marcel Reicheneder: Natürlich, ich bedauere immer noch, dass das Strich8 geschlossen wurde. Das war schade. Es fehlt auf jeden Fall und es wäre sicherlich zum Wiederbeleben, wenn sich ein guter Betreiber findet. Und Dingolfing ist ein schweres Pflaster – ich hatte den Vergleich mit den anderen Diskotheken. Wir hatten auch in den anderen Betrieben das gleiche Programm und der Dingolfinger war immer schwieriger zu begeistern.
Generell ist in Dingolfing in der Nacht wenig geboten. Würde Sie ein Projekt noch einmal reizen?
Marcel Reicheneder: Auf jeden Fall, aber nicht mehr in vorderster Front. Wenn mir aber ein schlüssiges Konzept vorgelegt wird, könnte ich mir durchaus vorstellen als Visionär und Projektgeber zu wirken. Ich würde dafür brennen, aber nur, wenn es ein cooles Konzept ist.
Erfolgreich sind Sie gemeinsam mit ihrem Freund und Geschäftspartner Ike Müller mit dem Label 13thSounds. Es stehen bereits einige Goldene Schallplatten in Ihrem Schrank. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Label zu gründen?
Marcel Reicheneder: Das war die Zeit, nachdem ich die Läden abgegeben habe. Musik hat mein Leben bestimmt und ich wollte einen Weg finden, weiterhin im Geschehen mitzuwirken. Es wurde möglich, weil mein Geschäftspartner und Freund Ike Müller die andere Seite vom Musikgeschäft bereits kennt. Unter anderem haben wir Nico Santos, der im vergangenen Jahr sehr erfolgreich war, entdeckt.Es macht auf jeden Fall sehr viel Spaß, da ich Ike vertrauen kann.
Das Musikbusiness hat sich ebenfalls stark gewandelt. Prominente Künstler in Diskotheken kann sich ein Betreiber kaum leisten. Wie konnten Sie 50 Cent, Lady Gaga oder Coolio in Ihre Nachtclubs locken?
Marcel Reicheneder: Das waren die Lorbeeren, die wir uns rausgepickt haben. Wir haben uns einen sehr guten Namen gemacht und es hat sich herumgesprochen, dass die Künstler bei uns sehr gut aufgehoben sind. Vor allem 50 Cent war schon ein Highlight. Da haben wir 20 Bodyguards gebraucht, um das Publikum in den Griff zu bekommen. Das ist komplett ausgeflippt.
Was wünschen Sie sich für Dingolfing?
Marcel Reicheneder: Dass sich im Nachtleben mehr rührt und Dingolfing wieder eine buntere Nachtszene bekommt. Es hält sich ja momentan sehr in Grenzen. Zu jeder guten Stadt gehört eine gute Gastronomie. Da gehören Restaurants, Bars und auch Diskotheken dazu. Zudem eine Stadt, inklusive Behörde, die dem Ganzen auch positiv gegenübersteht.