I n t e r v i e w
Ilka Horstmeier ist seit 23 Jahren bei der BMW Group, hat umfassende Produktionserfahrung an verschiedenen Werksstandorten des Unternehmens gesammelt und leitete zuletzt die weltweite Planung und Produktion von Antriebssystemen bei der BMW Group. Seit 1. November 2018 ist Horstmeier Werkleiterin in Dingolfing. Im Gespräch mit dem Stadtmagazin blickt sie auf die ersten Monate zurück, verrät ihr Lieblingsauto und erklärt, dass ihr Traumberuf eigentlich ein ganz anderer war.
„“Dingolfing ist ein dynamischer Standort“
Frau Horstmeier, Sie sind seit mittlerweile knapp einem Jahr Werkleiterin im BMW Werk Dingolfing. Haben Sie sich in Niederbayern schon eingelebt?
Ilka Horstmeier: Ja, das ging sehr schnell. Auch wenn der Standort groß ist, habe ich versucht, in kurzer Zeit mit möglichst vielen Menschen im Werk – und auch außerhalb – zu sprechen. Und die haben mir sehr geholfen, mich „daheim“ zu fühlen. Genauso wie meine kleine Wohnung in Dingolfing. Ob ich deshalb nun schon eine echte Dingolfingerin oder Niederbayerin bin, weiß ich nicht. Dieser Ehrentitel wird ja nicht so leicht vergeben. Aber ein Anfang ist gemacht…
Half Ihnen auch der Umstand, dass Sie bereits in Dingolfing tätig waren?
Ilka Horstmeier: Mit Sicherheit, mein Amtsantritt war ja auch eine Rückkehr. Land und Leute waren mir nicht komplett neu. Ich wusste schon noch, welche Autobahnabfahrt ich nehmen muss. Andererseits habe ich auch gemerkt, wie dynamisch sich der Standort weiterentwickelt hat. Damals wurden in Dingolfing beispielsweise BMW 5er, 6er, 7er gebaut – heute haben wir noch den 3er, den 4er, den 8er, dazu die großen Zukunftsthemen E-Mobilität, Autonomes Fahren oder Digitalisierung. Was gleich geblieben ist, ist aber die Leidenschaft und Kompetenz, mit der hier Automobilbau gelebt wird.
Sie haben Ihr komplettes berufliches Leben bei BMW verbracht. Zufall oder wollten Sie schon immer in der Automobilbranche wirken?
Ilka Horstmeier: Na ja, mein ursprünglicher Berufswunsch war Hoteldirektorin, die Ausbildung dafür sogar schon eingefädelt. Aber letztlich habe ich mich dann doch für ein Studium der Betriebswirtschaft entschieden. Nach dem Studium bin ich als Trainee bei BMW eingestiegen, habe dort im Personalwesen begonnen – bin dann aber bald in einem technischen Umfeld gelandet. Ich habe große Freude an der Technik und am Zusammenspiel von Menschen, Prozessen und Führung. Und rückblickend waren es wohl schon damals die Faszination für die Produkte, die Innovationskraft des Unternehmens, wechselnde Herausforderungen sowie die Leidenschaft der Mitarbeiter, die mich dazu bewegt haben, bei BMW anzufangen und zu bleiben.
Was hat sich in den 25 Jahren, als Sie bei BMW den ersten Arbeitstag absolvierten, bis heute verändert?
Ilka Horstmeier: Oh je, sehr, sehr vieles: die Autos, die wir bauen, unsere Prozesse bis hin zur Art, wie wir kommunizieren. Als ich anfing zu arbeiten, steckte das Internet noch in den Kinderschuhen. Heute ist quasi alles mit allem vernetzt. Dieser Wandel und die Fähigkeit zur permanenten Selbsterneuerung sind auch essentiell für den Erfolg von BMW und machen den Job spannend. Trotzdem braucht und gibt es auch Konstanten. Damals wie heute hat BMW seine sehr eigene, starke Kultur, die auf Werten wie Verantwortung, Vertrauen, Wertschätzung, Transparenz und Offenheit basiert. Damals wie heute geht es darum, voranzugehen, innovativ zu sein, das Neue zu wagen. Und damals wie heute ist es entscheidend, die Mitarbeiter auf diesem Weg in die Zukunft einzubinden und mitzunehmen.
Wie haben Sie von der Nachricht erfahren, dass Sie die Werkleitung in Dingolfing übernehmen dürfen? Und was ging Ihnen in diesem Augenblick durch den Kopf?
Ilka Horstmeier: Ich habe mich wirklich sehr gefreut. Denn diese Aufgabe hat mich außerordentlich gereizt und ich habe mich indirekt auch dafür beworben – soweit man das für eine solche Position kann. Aber natürlich geht einem dann sehr schnell auch durch den Kopf, welche Verantwortung man übernimmt – und da wird man schon demütig und geht mit entsprechendem Respekt an die Sache ran. Aber, als ich am Morgen des ersten Arbeitstags auf der A92 Richtung Dingolfing fuhr und die Sonne über dem Werk aufgehen sah, spürte ich große Vorfreude und Zuversicht…
Wenn ich an ein Auto denke, fallen mir sofort Männer ein, die sich liebevoll um ihren Wagen kümmern. Auto und Mann – das passt. Fühlt man sich als Frau in dieser Männerdomäne manchmal ein wenig alleine in so einer wichtigen Position?
Ilka Horstmeier: Frau und Auto passt genauso gut. Das kann ich Ihnen versichern. Aber es stimmt schon, unser Frauenanteil von aktuell 12-13 Prozent im Werk ist ausbaufähig – und daran arbeiten wir auch. Bei unseren Azubis liegen wir schon bei rund einem Viertel Mädchen. Und ich würde mich freuen, wenn auch mein Werdegang Frauen Mut macht, Führungsverantwortung in der Produktion zu übernehmen. Es gibt viele technikaffine Frauen, manchen fehlt aber vielleicht noch der Mut. Dafür müssen wir sie noch mehr begeistern.

„Es geht darum, jeden Tag ein Stueckchen besser zu werden, in dem was wir tun und gleichzeitig Zukunft zu gestalten.“
Ich habe mal gelesen, dass Frauen bessere Führungskräfte sind, weil sie vor allem mehr Empathie haben?
Ilka Horstmeier: Ich bin immer sehr vorsichtig mit solchen geschlechterspezifischen Zuschreibungen von Eigenschaften. Denn letztlich geht es immer darum, verantwortungsvoll zu führen, egal ob Mann oder Frau. Es geht darum, jeden Tag ein Stückchen besser zu werden, in dem was wir tun und gleichzeitig Zukunft zu gestalten. Führung heißt, die Mitarbeiter dafür zu begeistern und ab und zu auch mal – wenn nötig – eine klare Ansage zu machen.
Welches Auto fahren Sie privat?
Ilka Horstmeier: Ich habe ja das große Privileg, selbst immer Dienstautos aus Dingolfinger Produktion fahren zu dürfen. Und das sind dann oft ganz verschiedene – aktuell etwa ein neuer BMW 7er. Freilich ist da bei aller Freude am Fahren immer auch ein professioneller Blick mit dabei. Insofern ist „privat Auto fahren“ für mich grundsätzlich schwierig. Ich bin auch ein begeisterter E-Mobilitätsfan. Deshalb bewege ich mich im Werk mit meinem E-Scooter BMW X2City und an den Wochenenden oft mit dem vollelektrischen BMW i3, der bei uns zuhause ebenfalls in der Garage steht.
Jeder hat sein persönliches Lieblingsauto von BMW. Ich persönlich fand den 8er wunderschön. Welches Auto kommt Ihnen ad hoc in den Sinn, wenn Sie an BMW denken?
Ilka Horstmeier: Der 8er ist schon eine gute Wahl. Ich durfte zuletzt selbst ein paar Monate lang einen neuen BMW M850i fahren. Er gehört sicher auch zu meinen Favoriten. Und das nicht nur, weil wir 2018 und 2019 insgesamt sechs 8er Modelle hier im Werk anlaufen lassen. Natürlich denke ich aber auch an den BMW iNEXT, weil uns der die nächsten Monate und Jahre viel beschäftigen wird und ein ganz wichtiger Meilenstein für das Werk Dingolfing und die gesamte BMW Group sein wird – als Wegbereiter für viele Zukunftstechnologien wie die E-Mobilität oder das Autonome Fahren.
„“Der Automobilbau der Zukunft wird hier im Isar Valley stattfinden. Dafuer setze ich mich mit aller Kraft ein.“
Zurück zur Gegenwart: Auf BMW warten viele Herausforderungen. Vom Gefühl her würde ich sagen, dass BMW am meisten Lust auf diesen Paradigmenwechsel (E-Mobilität, Car-Sharing etc.) hat, mehr als die Konkurrenz…
Ilka Horstmeier: Ich finde, Ihr Gefühl täuscht Sie nicht. In unserer Branche ist viel Wandel. In den nächsten fünf Jahren wahrscheinlich mehr als in den letzten 50. Wir sprechen hier von einer grundlegenden Transformation – getrieben durch zwei sich überlagernde Trends: Die Decarbonisierung und damit verbundene Entwicklungen der Antriebstechnik auf der einen Seite – und die Digitalisierung von Produkt, Services und Produktion auf der anderen. Tatsächlich haben wir als BMW Group den Anspruch, bei diesen Themen führend zu sein. Darum setzen wir im Rahmen unserer Strategie NUMBER ONE > NEXT sehr konsequent auf den Umbau von BMW zur Tech Company für individuelle Premium-Mobilität. Wir wollen und wir werden auch als Werk Dingolfing Gewinner dieser Transformation sein. Der Automobilbau der Zukunft wird hier im „Isar Valley“ stattfinden. Dafür setze ich mich mit aller Kraft ein.
Vor allem im E-Bereich wird viel investiert. Als ich bei BMW vor zwölf Jahren ein Praktikum absolvierte, fuhr die Politprominenz mit Wasserstoffautos. Wird Wasserstoff wieder en vogue?
Ilka Horstmeier: Mittel- bis langfristig kann auch das eine Option sein. Wir verfolgen als BMW Group ja den Ansatz der Technologieoffenheit. Das heißt, wir glauben nicht, dass es in den nächsten Jahren die eine Lösung für alle Mobilitätsbedürfnisse unserer Kunden gibt, sondern einen Mix aus verschiedenen Antriebsformen. Dazu zählen weiterhin optimierte Diesel und Benziner, Plug-in-Hybride und rein batterieelektrische Fahrzeuge. Mittelfristig kann aber auch E-Mobilität auf Basis der Wasserstoff-Brennstoffzellentechnologie interessant sein. Wir kooperieren daher auch in diesem Feld mit Toyota und verfolgen auch diese Technologie weiter.
Bei der Vorstellung strahlten Sie viel Ruhe aus. Ist Gelassenheit in dieser Position wichtig?
Ilka Horstmeier: Ja, sie ist wichtig. Ich denke aber, dass man immer beides braucht, um erfolgreich zu sein: einen kühlen Kopf und ein großes Herz, Verstand und Leidenschaft für eine Sache. Meine Mitarbeiter werden Ihnen bestätigen, dass sie mich durchaus auch schon mal emotional erlebt haben. Aber wenn es darum geht, wichtige strategische Entscheidungen zu treffen, schaltet man besser auf den Analyse- und Vernunft-Modus und hat die Dinge besser schon einmal durchdacht…
Dingolfing hat mehrere Auszeichnungen für Automodelle oder die Produktion erhalten. BMW Mitarbeiter sind sehr stolz, bei BMW zu arbeiten. Das muss einer Werkleiterin doch gefallen…
Ilka Horstmeier: Ja, ich meine schon, dass wir hier in Dingolfing immer noch einen besonderen Teamgeist haben. Auch wenn in einem Betrieb nie immer alles nur super ist, so denke ich doch, dass sich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr mit ihrer Tätigkeit, ihrem Werk oder Unternehmen identifizieren und auch zurecht stolz darauf sind. Das haben uns zumindest auch entsprechende Befragungen widergespiegelt. Das freut uns. Und das ist auch ein echter Trumpf.
Text: Andy Forster
Foto: Christine Daxl